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Schockierende Werbung

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Im Zuge zunehmender Überflutung mit Werbebotschaften kann es für einzelne Werbetreibende reizvoll und von Vorteil sein, durch besonders auffallende und schockierende Werbung für Aufmerksamkeit zu sorgen. Schockierende Elemente bewirken dabei neben Aufmerksamkeit auch eine emotionale Erregung, die dazu führt, dass das beworbene Thema oder Produkt sich besser im Gedächtnis einprägt.

Emotionale Erregung im Rahmen von Schockwerbung kann durch besonders auffällige sexuelle Anspielungen oder auch durch Inhalte hervorgerufen werden, die irgendwie Überraschung, Angst, Ekel und/oder Wut hervorrufen.

Eine solche Form von Werbung kann dabei einen inhaltlichen Bezug zum beworbenen Thema aufweisen - dies ist v.a. dann der Fall, wenn Schockelemente im Rahmen von Furchtappellen verwendet werden, wenn für nichtkommerzielle Zwecke geworben (z.B. Werbung zur Raucherentwöhnung, HIV-Prävention oder zur Sicherheit im Straßenverkehr).

Häufig ist es allerdings gerade bei kommerzieller Werbung der Fall, dass die verwendete Werbung keinen solchen Bezug zum beworbenen Produkt hat.

Ulrike Wünnenberg (1996) definiert Schockwerbung daher aus juristischer Sicht in einem etwas eng gefassten Sinne als "das Werben mit einer 'gestellten' oder realistischen Bildaufnahme, die Not, Leid und Elend, aber auch religiöse oder politisch höchst sensible Themen zum Inhalt hat, keinerlei oder nur unzureichenden Sachbezug zu dem zu bewerbenden Produkt oder Unternehmen aufweist und lediglich bzw. dennoch mit dem Logo eines Unternehmens oder eines Produkts verbunden ist, die aber aufgrund ihres unerwarteten Motivs geeignet ist, Reaktionen vielfältiger Art von heftigster Intensität hervorzurufen" (Quelle).

Schockierende Werbung sticht dabei durch einen Bruch mit gängigen Normen und Tabus aus der breiten Masse der Werbebotschaften hervor. Inwieweit dabei ein Schockeffekt auftritt, hängt allerdings ab von soziale, kulturellen und individuellen Faktoren. Als Werbetreibender, der provozierende Werbung einsetzen möchte, muss man daher die jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umstände sowie allgemein akzeptierte Gewohnheiten und deren Grenzen kennen.

Frühe Beispiele der Verwendung von schockierender Werbung

Ein frühes Beispiel hierfür stellt die erste Abbildung einer vollkommen nackten Frau (Marilyn Monroe) in einer für die breite Öffentlichkeit bestimmten Magazin (Playboy) im Jahr 1953 dar.

Ein weiteres frühes Beispiel ist die Werbung für Afri Cola in den 60er Jahren. Diese Kampagne wurde von Charles Wilp (eigentlich Karl Paul Wilp), einem deutschen Werbefachmann, Künstler und Fotografen ab 1968 über sieben Jahre lang gestaltet.

Unter dem Slogan "Sexy-mini-super-flower-pop-up-cola - alles ist in Afri-Cola" bündelte Wilp quasi alle Themen, die in den 60er Jahren bei den einen Sehnsucht auslösten, bei den anderen für Verstörung sorgten. Wilp wollte dabei das Unerwartete zeigen - nicht junge Menschen, die bei sommerlichen Temperaturen erfrischende Cola trinken, sondern z.B. Nonnen, die offenbar von dem Getränk berauscht sind. Sein Markenzeichen waren seine Fotos, wobei er verschiedene Motive (z.B. berühmte Models der 60er Jahre) jeweils hinter einer Glasscheibe mit Eiskristallen fotografierte.

Die Spots und Plakate erregten sowohl Aufmerksamkeit als auch Unmut. So verweigerte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung eines Spots, bei dem ein Modell frivol die Zunge spielen ließ. Andere Werbebucher bestanden darauf, dass die Afri-Spots am Ende des Werbeblocks gezeigt werden, um Assoziationen mit den eigenen Produkten zu vermeiden.

Fundstücke des Fernsehens: Der große Afri-Cola-Rausch
(FAZ.NET)

Benetton-Werbung

In aktueller Zeit dürfte wohl die Kampagne des italienischen Bekleidungsherstellers Benetton das bekannteste Beispiel für die Verwendung von Schockwerbung sein. Ich muss feststellen, dass ich beim Anblick der ersten Anzeigen dieser Art nicht wusste, dass es sich um Werbung für Bekleidung handelt. Die Kampagne lief von 1991 bis 2009 unter der Verantwortung des Werbefotografen Oliviero Toscani.

Das erste im September 1991 publizierte Plakat zeigte einen katholischen Priester und eine Nonne, die sich küssten. In Italien erregte dies wohl heftige Diskussionen. (Angesichts neuerer Erkenntnisse über das Treiben in der katholischen Kirche kann man darüber allerdings wohl nur müde lächeln.)

Weitere kontrovers diskutierte Motive sind die Darstellung eines sterbenden AIDS-Kranken, die blutdurchtränkte Uniform eines bosnischen Soldaten oder die Hand eines Schwarzen mit ganz wenig Reis in der Hand.

Aber nicht nur das Leid von Menschen fand dabei Darstellung, sondern auch anzügliche Themen wurden im weiteren verarbeitet. So zeigt eine Werbung aus 1996 zwei kopulierende Pferde und ein weiteres Motiv zeigt eine weiße Frau, die offensichtlich mit einem schwarzen Mann zusammen ist, die beide ein kleines Kind mit offensichtlich asiatischer Herkunft im Arm halten.


Letztlich hat sich auch die Justiz mit dieser Werbung beschäftigt. So wurde der Verlag Gruner & Jahr zunächst von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. für die Verwendung von drei Werbemotiven abgemahnt: ein ölverschmutzter Vogel, die Darstellung von Kinderarbeit und ein nackter menschlicher Po mit dem Aufdruck "HIV-positive". Auch Zivilgerichte bis hin zum Bundesgerichtshof verboten diese Werbung unter Verweis auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Das Bundesverfassungsgericht hob diese Verbote allerdings wieder auf und verwies die Angelegenheit zurück an den Bundesgerichtshof. Die Verbote gegen die Anzeigen mit dem ölverschmutzten Vogel und der Darstellung von Kinderarbeit wurden dabei auch vom Bundesgerichtshof zurückgenommen, das Verbot gegen das "HIV-positive"-Plakat jedoch bestätigt, da es sich nach Auffassung des Gerichts um reine Aufmerksamkeitswerbung handele, die das Elend der Betroffenen zum eigenen kommerziellen Vorteil ausbeute.

Nach einer erneuten Verfassungsbeschwerde hob allerdings das Bundesverfassungsgericht dieses Verbot wiederum auf, da es sich hierbei um eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit handele. Während der Bundesgerichtshof bei der Urteilsbegründung vor allem auf den Schutz der Menschenwürde verwies, war man beim Bundesverfassungsgericht der Auffassung, dass auch die Meinungs- und Pressefreiheit Aspekte der Menschenwürde betreffen und entsprechend geschützt werden müssen.

Benetton-Entscheidungen
(Wikipedia)

Schockierende Werbung für nichtkommerzielle Zwecke

Schockeffekte werden allerdings auch häufig im Rahmen sozialen Marketings, v.a. im Zusammenhang mit Furchtappellen eingesetzt. Dabei sollen zum einen Angst oder auch Schuldgefühle angesprochen werden, zum anderen geht es darum, Rezipienten zu einer Verhaltensänderung im Bereich des Gesundheits- und/oder Sicherheitsverhaltens zu motivieren.

Dazu gehören zum einen die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, die in einigen Ländern wie etwa Kanada bereits seit mehreren Jahren auch schockierende Bilder enthalten.

Des weiteren sind hier verschiedene Kampagnen zur HIV-Prävention zu nennen. Und nicht zuletzt werden Schockeffekte auch eingesetzt, um Sicherheitsverhalten im Straßenverkehr zu fördern ("Don't drink and drive!").

Effektivität von Schockwerbung

Ohne Zweifel bewirkt diese Art von Werbung Aufmerksamkeit, emotionale Erregung und dass darüber gesprochen wird. Ob sich dies auch positiv auf den Absatz von Produkten oder (bei sozialem Marketing) auf das Gesundheits- und Sicherheitsverhalten auswirkt, ist allerdings eine andere Sache. Die Kampagne von Benetton lief immerhin über 18 Jahre. Man kann vielleicht davon ausgehen, dass kein Unternehmen eine solche Kampagne laufen lässt, wenn daraus negative Effekte resultieren. Andererseits hat die sieben Jahre laufende Kampagne von Charles Wilp bei Afri Cola wohl keinen bedeutsamen Absatzschub bewirkt.

Studien zu Furchtappellen verweisen auf widersprüchliche Befunde. So haben Hammond, Fong, Borland, Cummings, McNeill und Driezen (2007) die Effekte von schockierenden Bildern auf Zigarettenschachteln in Kanada, Australien und Großbritannien untersucht und konnten deutliche Effekte in der gewünschten Richtung entdecken. In einer Untersuchung von Petersen und Lieder (2006) bei deutschen Schülern konnten allerdings keine Unterschiede in der Beurteilung und Wirkung von Zigarettenschachteln ohne Warnhinweis vs. mit Texthinweis vs. mit schockierenden Bildern festgestellt werden.



Schockierende Werbung ist in vielerlei Hinsicht nicht ohne Probleme.

Sie bewirkt einerseits Aufmerksamkeit, erregt aber auch Unmut. Kontroverse Diskussionen sind dabei meist auch gewollt. Bei der von Charles Wilp kreierten Afri-Cola-Werbung war es beispielsweise so, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich (in den 60er Jahren) weigerte, bestimmte Spots auszustrahlen. Andere Werbebucher bestanden darauf, dass die Afri-Spots am Ende eines Werbeblocks ausgestrahlt werden sollten, um Assoziationen mit den eigenen Produkten zu vermeiden.

Werbung sollte natürlich auch immer so gestaltet sein, dass sie von der Zielgruppe verstanden wird. Bei einer vor kurzem durchgeführten Kampagne des Vereins Regenbogen e.V. ("AIDS ist ein Massenmörder") war dies eher nicht der Fall. Hier wurde jeweils eine Frau gezeigt, die offensichtlich Sex mit Josef Stalin, Saddam Hussein oder Adolf Hitler hat. Zumindest Stalin war auf diesen Abbildungen kaum als Person zu identifizieren. Außerdem ist anzunehmen, dass jüngere Rezipienten kaum etwas mit dieser Person anfangen können. Insgesamt vermittelte diese Kampagne ein wenig den Eindruck, dass AIDS eine Krankheit alter Männer sei:

Präventionskampagne: "Aids ist ein Massenmörder"
(SPIEGEL ONLINE)

Die Kampagnen der Michael-Stich-Stiftung zu diesem Thema finde ich persönlich dagegen recht gut gelungen und auch verständlich.

Man kann allerdings davon ausgehen, dass auch die Wirkung schockierender Werbung über die Zeit abnimmt, wenn sich der Rezipient an die Verwendung solcher Art von Werbung bei einem bestimmten Anbieter gewöhnt und auch immer mehr Anbieter auf schockierende Werbung zurückgreifen.

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